Unterrichten in Zeiten der Pandemie - Teil 1

Nicht nur für Schüler:innen und Eltern resultiert die aktuelle COVID-19-Pandemie in einer tiefgreifenden Veränderung schulischer Lernprozesse, auch für Lehrkräfte heißt es „Lernen & Lehren in einer Krisensituation“.

Christian Schmidt
07
.
May
2021

Im Rahmen des Artikels Aufgaben per Mail – Homeschooling in Deutschland wurde sich bereits mit der ersten flächendeckenden Distanzunterrichtsphase an deutschen Schulen auseinandergesetzt. Hier standen vor allem die bereits gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den bestehenden Herausforderungen & Bedarfen im Zusammenhang mit Distanzunterricht & Homeschooling in Deutschland im Mittelpunkt.

Die Herausforderungen und Probleme, mit denen sich Kinder und Eltern im Homeschooling konfrontiert sehen, sind aktuell sehr präsent und erfahren ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. In diesem zweiteiligen Beitrag wird ein Perspektivwechsel vollzogen und ein genauerer Blick darauf geworfen, was es eigentlich bedeutet in Zeiten einer Pandemie zu unterrichten.


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Um einen konkreten Blick auf die momentane Unterrichtspraxis zu gewinnen, habe ich mich mit Annika R. unterhalten, die aktuell Wirtschaft an mehreren beruflichen Schulen in Freiburg unterrichtet.

Im ersten Teil dieses Beitrags habe ich, Christian Schmidt, mich bei Annika erkundigt, wie an den Schulen, an denen sie arbeitet, aktuell unterrichtet wird und wie der digitale Unterricht bisher ablief. Im zweiten Teil liegt der inhaltliche Fokus auf der Beschreibung neuer Arbeitsschwerpunkte im Unterrichtsalltag und den daraus entstandenen Bedarfen bei Lehrkräften.


Status Quo - Unterrichtspraxis

In welcher Form findet an deinen Schulen aktuell Unterricht statt?

Unterricht findet an den Schulen, an denen ich arbeite, aktuell in sehr unterschiedlichen Formen statt. Je nach Klassenstufe, Klassengröße und Zusammensetzung gestaltet sich der Unterricht momentan sehr verschieden.

Es gibt kleine Abschlussklassen, bei denen der Unterricht komplett in Präsenz stattfindet. Es gibt Klassen die überwiegend in Präsenz unterrichtet werden, aber einige Schüler:innen mit gesundheitlichen Vorbelastungen im Homeschooling sind. Es gibt Abschlussklassen, die aufgrund ihrer Größe zur Hälfte in Präsenz zur Hälfte in Distanz unterrichtet werden und es gibt Klassen, die aktuell ausschließlich im Distanzunterricht sind.


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Das bedeutet für die Lehrkräfte, dass der Unterricht überwiegend sowohl analog, als auch digital vorbereitet werden muss. Besonders herausfordernd ist es eine Klasse im zu unterrichten, die zur Hälfte in Präsenz anwesend ist und zur anderen Hälfte via Videokonferenz am Unterricht teilnimmt.


Besteht an den Schulen ein schulübergreifendes Konzept, um die aktuellen Herausforderungen meistern zu können?

Am Anfang gab es kein einheitliches Konzept für alle Lehrkräfte und in der ersten Phase des Distanzunterrichts gestaltete sich, meines Wissens, der Unterricht sehr unterschiedlich. Zunächst wurden vor allem Arbeitsaufträge zur selbständigen Bearbeitung an die Schüler:innen gesendet.

Je nach Lehrkraft bedeutete das entweder gedruckte Arbeitspakete per Post oder Arbeitsblätter per Mail oder Moodle an die Schüler:innen zu versenden. Als Bestätigung, dass die Arbeitsaufträge erledigt wurden, sendeten die Schüler:innen meistens Fotos von den ausgefüllten Arbeitsblättern zurück.

Mittlerweile haben sich viele Kolleg:innen schon gut in den digitalen Distanzunterricht eingearbeitet, aber viele haben auch noch sehr große Lücken und sind überfordert. Vor allem viele ältere Kolleg:innen tun sich damit noch sehr schwer.


Welche technischen Hilfsmittel kommen bei euch im Distanzunterricht zum Einsatz?

Hinsichtlich der verwendeten Software wurde sich auf Schulebene auf drei Programme geeinigt. Als zentrales Learning Management System kommt Moodle zum Einsatz. Für Videokonferenzen wird BigBlueButton und zur Kommunikation zwischen Lehrkräften und Schüler:innen wird WebUntis verwendet.

Bezüglich der verfügbaren Hardware sieht die Ausstattung der Schulen nicht besonders rosig aus. Die Lehrkräfte arbeiten überwiegend auf Ihren privaten PCs, was bei einigen Kolleg:innen mit älteren Endgeräten zu häufigen Abstürzen und Unterbrechungen im Distanzunterricht führt.

Mittlerweile besteht die Möglichkeit Visualizer bzw. Dokumentenkameras für den Online-Unterricht von zuhause aus auszuleihen oder den Distanzunterricht in der Schule durchzuführen. Ich persönlich habe mir bereits zu Beginn des Distanzunterrichts privat ein iPad gekauft, um in Videokonferenzen flüssig Präsentationsfolien mit handschriftlichen Notizen ergänzen zu können.

Bei den Schüler:innen sieht das Ganze ähnlich aus, die meisten nehmen am Distanzunterricht mit ihrem privaten PC oder ihrem Smartphone teil. Für Schüler:innen, die keinen eigenen Laptop haben, gibt es einige Leihgeräte an der Schule.

So wie ich das mitbekommen habe, sollen bis zum Ende des Schuljahres zunächst die Lehrkräfte mit Arbeits-Laptops ausgestattet werden und im Anschluss ist auch eine bessere technische Ausstattung für Schüler:innen angedacht. Wie genau das dann aussehen soll und für wann das geplant ist, weiß ich aber nicht.


Digitaler Unterricht bisher

Was funktioniert deiner Meinung nach schon gut in der digitalen Unterrichtspraxis?

Was mittlerweile schon recht gut funktioniert, ist das einheitliche Vorgehen hinsichtlich der Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien und der Kommunikation mit den Schüler:innen.


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Durch die Festlegung der drei zentralen Programme, wissen die Schüler:innen, wo der Unterricht stattfindet, wo sie Arbeitsmaterialien finden und wo sie die Lehrkräfte bei Fragen erreichen können.


Was funktioniert deiner Meinung nach noch nicht gut genug?

In meinem Unterrichtsalltag sind vor allem Videokonferenzen sehr herausfordernd und kräftezehrend. Das liegt an einer ganzen Reihe von Gründen. Zum einen an technischen Problemen und der unzureichenden Nutzendenfreundlichkeit von BigBlueButton im Unterrichtsalltag.

Hier reichen die Probleme von schlechtem Textverarbeitungsoptionen bei Live-Präsentationen, über eingeschränkte Möglichkeiten beim Teilen mehrerer Bildschirme bis hin zur andauernden Mikrofonzugriffsnachfragen durch das Programm.

Hinzu kommt, dass der Schutz der Privatsphäre und die Distanz im Allgemeinen zu sehr viel trägeren und langsameren Unterrichtsabläufen führt. Viele Schüler:innen nehmen mit ausgeschalteter Kamera und deaktvierter Mikrofonfunktion am Unterricht teil. Durch die Teilnahme via Smartphone sehen viele zusätzlich nur eine Bildschirmansicht während der Präsentation und sind nur sehr eingeschränkt in der Lage rechtzeitig Fragen per Texteingabe zu stellen.

Wirklich anstrengend ist das Ganze vor allem, weil Video-Konferenzen einen großen Anteil in meinem Unterrichtsalltag ausmachen. Vor allem bei Klassen, die wenig Selbstmotivation und Selbstorganisation für den Unterricht mitbringen, sind Videokonferenzen das Mittel der Wahl, um trotz Distanzunterricht Lernprozesse ermöglichen zu können.


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...weiter geht es mit dem zweiten Teil des Beitrags. Dort erfährst du welche neuen Schwerpunkte sich im Unterrichtsalltag von Annika ergeben haben und wie ein Autorentool für Annika aufgebaut sein sollte.